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Energieeffizienz

Rechenzentren – mit Green IT zum Blauen Engel

Rechenzentren sind Stromfresser. Mit den Prinzipien der Green IT sollen sie, geht es nach der EU, allerdings bis 2030 klimaneutral arbeiten. Ein ambitioniertes Vorhaben, das einen ganzen Katalog an Maßnahmen erfordert.

7,5 Millionen Treffer bei Google – und doch nicht klar definiert: Green IT ist ein recht schwammiges Buzzword, das die nachhaltige IT der Zukunft verspricht. Den gängigsten Definitionen zufolge (siehe Infobox) stellt Green IT zwei Fragen:

  • Wie lässt sich Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) ressourcenschonend und umweltverträglich produzieren, betreiben und entsorgen oder wiederverwenden?

  • Wie lässt sich IKT für Nachhaltigkeit, Energiesparsamkeit, Klima- und Umweltschutz einsetzen?

Die Fragen sind so relevant, weil IKT das Herzstück der Digitalisierung ist. Surfen und Streamen, Videotelefonie und Verkehrsnavigation, Blockchain und Bankgeschäfte, KI und Kundenservice, Industrie und IoT – der Datenverkehr von privaten und gewerblichen Nutzern über das Internet steigt unaufhörlich. Und mit ihm die Anforderungen an die Hardware, die diesen Datenstrom verarbeiten und weiterleiten muss.

Definition: Was ist Green IT?

Das Bundesumweltministerium (BMU) versteht unter Green IT „umweltverträgliche Produkte und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sowie die Nutzung von IKT zur Umweltschonung“. Dabei werde „der gesamte Lebensweg von IKT-Produkten sowie deren Auswirkungen auf das Klima und andere Umweltwirkungen“ berücksichtigt. Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Green IT als „die ressourcenschonende Verwendung von Energie und Einsatzmaterialen in der Informations- und Kommunikationstechnologie über den gesamten Lebenszyklus hinweg“. Bereits bei der Entwicklung von Produkten und Lösungen werde „nicht nur ein möglichst ressourcenschonender Umgang der Technik im Betrieb, sondern auch eine umweltschonende Entsorgung und Wiederverwendung der Einsatzmaterialien“ berücksichtigt. Das Umweltbundesamt (UBA) brachte bereits Anfang 2012 eine – auf Recyclingpapier gedruckte – Broschüre für Schülerinnen und Schüler zum Thema heraus.



Die Cloud – im Grunde nichts weiter als ein Rechenzentrum voller Server irgendwo im Grünen – leistet hier den Löwenanteil der Arbeit. Das frisst Strom: 2020 haben Rechenzentren fast sechs Prozent des weltweit erzeugten Stroms verbraucht, 2025 könnte dieser Anteil bereits 20 Prozent betragen. Mit entsprechenden Auswirkungen auf Klima und Ressourcen. Und auf die Kosten: Der Stromverbrauch eines großen Rechenzentrums macht im Schnitt 70 Prozent seiner Betriebskosten aus, neben Personal, Hardware und Instandhaltung. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen Rechenzentren bis zum Jahr 2030 klimaneutral arbeiten. Ein zentrales Ziel von Green IT ist es daher, den Energieverbrauch der Komponenten für Rechenleistung und Datenspeicherung zu reduzieren. In drei Bereichen lassen sich mit passenden Technologien bereits heute Erfolge erzielen: Stromversorgung, Kühlung und Auslastung.

Stromversorgung: regenerativ und speicherbar

Der CO2-Fußabdruck von Rechenzentren lässt sich durch die Verwendung erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung ebenso reduzieren wie durch den Einsatz stromsparender Technik bei der Energiespeicherung: Bei weiter sinkenden Preisen werden beispielsweise Lithium-Ionen-Akkus rentabel, um eine unterbrechungsfreie Stromversorgung von Rechenzentren zu gewährleisten. Der Vorteil von LI-Akkus gegenüber herkömmlichen Bleisäurebatterien: höhere Energiedichte, geringerer Platzbedarf und eine wesentlich längere Lebensdauer.

Kühlung: innovativ und effizient

Die Arbeit der Server in Rechenzentren produziert zudem enorme Mengen Wärme. Die lässt sich zwar sinnvoll nutzen, etwa um das Gebäude selbst zu heizen oder die Industrie und Privathaushalte zu beliefern. Aber entweder es fehlt den Betreibern an Abnehmern für die Abwärme oder die Nutzung ist noch zu unwirtschaftlich, so eine Studie des Netzwerks energieeffiziente Rechenzentren (NeRZ). Ein Grund: Die Gebäude stehen oft irgendwo im Nirgendwo, fernab von Wohn-, Industrie- oder Gewerbegebieten.

Das Bestreben der Betreiber ist daher primär, die Hardware effizienter zu kühlen. Freie Kühlung, meist über Außen- oder Umgebungsluft, aber auch durch Fluss- und Seewasser oder das Erdreich, hat sich als energieeffiziente Zusatzlösung herausgestellt. Vor allem die Big Player der Digitalindustrie sind hier erfinderisch. Microsoft betreibt ein Unterwasser-Datencenter vor der Küste der schottischen Orkney-Inseln; das Meerwasser dient zur freien Kühlung. Den Yahoo Computing Coop in Lockport, New York, kühlen fast vollständig externe Luftströme; Yahoo verzichtet komplett auf mechanische Wasserkühlungen. Das Verdunstungskühlsystem von Googles Rechenzentrum im belgischen Saint-Ghislain zweigt für die freie Kühlung Wasser aus einem nahegelegenen Industriekanal ab. Huawei setzt auf indirekte Verdunstungskühlung, die den Energieverbrauch von Kühlsystemen um 40 bis 60 Prozent senken kann.

Im Unternehmensbereich KI-Computing hat Huawei 2019 einen modularen Großrechner mit Flüssigkeitskühlung eingeführt. Wo ein herkömmlicher luftgekühlter Cluster 86 Serverschränke benötigt, kommt der Atlas 900 KI-Trainingscluster für die gleiche Rechenleistung mit 16 Schränken aus. Energieersparnis: 60 Prozent. Auch das Zusammenlegen von Rechenzentren kann helfen: Sind die Komponenten auf kleinerer Fläche verteilt, lassen sie sich gezielter kühlen. Die Universität Bremen beispielsweise hat als erste Hochschule bereits 2014 ihre auf dem Campus verstreuten Serverkapazitäten in einem zentralen Housing Center zusammengeführt (siehe Video).

Auslastung: modular und intelligent

Durch modulare Bauweise lässt sich zudem die Auslastung optimieren, ein weiteres Mittel für einen nachhaltigen Betrieb. Eine automatische Auslastungsanalyse von Ressourcen, Raum, Stromversorgung, Kühlung und Port-Kapazität optimiert die Nutzung der Rechenzentrumsressourcen und macht zudem Investitionen effizienter. Auch mit einem intelligenten Verwaltungssystem lässt sich die Energiebilanz eines Datencenters optimieren.

Umdenken in Produktion und Lieferkette

Nachhaltigkeitsbemühungen der Industrie fangen schon bei der Herstellung der Hardware an. Hier spielt auch die Lieferkette eine Rolle. Huawei hat 2019 bei 35 Zulieferern ein Programm umgesetzt, um Energie einzusparen und Emissionen zu reduzieren. Dank erneuerter Luftkompressions-, Klima- und Beleuchtungssysteme, modernisierter Produktionsanlagen und -prozesse sowie durch das Wiederverwenden von Wärme ließen sich insgesamt 80.000 Tonnen CO2 einsparen. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Klimafreundliche Rohstoffe wie etwa Bioplastik sowie erneuerbare Energien bei der Produktion nutzen, Hardware umweltfreundlich verpacken, Altgeräte recyceln, reparieren oder spenden – Maßnahmen, die zum Beispiel bei Smartphones bereits üblich sind.

Potenzial auf allen Ebenen für Green IT

Der CO2-Fußabdruck von Rechenzentren lässt sich durch die Verwendung erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung ebenso reduzieren wie durch den Einsatz stromsparender Technik bei der Energiespeicherung: Bei Gerade hierzulande sollte die Thematik präsent sein, ist Deutschland doch laut Umweltbundesamt (UBA) der größte Rechenzentrumsstandort in Europa und der drittgrößte der Welt. Rechenzentren im Sinne von Green IT umweltfreundlich zu betreiben erfordert neben Investitionen aber auch ein Umdenken. Wie schwer das sein kann, zeigt sich schon an höchster Stelle. Bereits seit 2011 vergibt das Umweltbundesamt sein Gütesiegel „Blauer Engel“ auch für Rechenzentren. 2016 hat das UBA die Vorgaben – Energieverbrauch reduzieren, ohne klimaschädliche Klimatisierung auskommen und die eingesetzte Technik besser auslasten – verschärft. Bei den Einrichtungen des Bundes selbst sieht es jedoch immer noch mau aus: Lediglich das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) kann sich derzeit mit dem „Blauen Engel“ für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb schmücken, berichtet der „Spiegel“. Als einziges von 177 Rechenzentren des Bundes.

Die Anträge auf eine Zertifizierung für den „Blauen Engel“ hielten sich laut datacenter-insider.de anfangs in Grenzen: "Es gibt eine Reihe von Zertifikaten, die die Qualität und Effizienz von Rechenzentren bescheinigen, da ist der ‚Blaue Engel‘ nur eines davon und noch nicht sehr stark im Markt etabliert. Aktuell sehen wir keine Veranlassung, dieses Zertifikat zu erwerben", sagte Sebastian Brandis, Geschäftsführer des Frankfurter Rechenzentrumsplaners E-Shelter Facility Services, dem Magazin. Betreiber von Rechenzentren können sich beraten lassen, wenn sie das Zertifikat erlangen wollen – das Bundesumweltamt fördert diese Beratungsleistung. „Unternehmen wissen allerdings häufig nichts von den Förderungen und nehmen diese Möglichkeit daher nicht in Anspruch“, sagt Martin Weber, Mitglied des Expertengremiums, das die Vergabekriterien erarbeitet. Der Digitalverband Bitkom lehnt den „Blauen Engel“ als Zertifikat gar ab: Die aktuellen Kriterien seien „durch starre Bedingungen geprägt, die in der Regel keine sinnvolle und durchgehende Erfüllung ermöglichen“, heißt es in einem aktuellen Positionspapier. Hauptkritikpunkte des Verbands: Der Betreiber habe oft nur bedingt Einfluss auf die Auslastung der Versorgungssysteme, die Vorgaben für die Power Usage Effectiveness (PUE) seien realitätsfern, die zwingende Nutzung teurer intelligenter Power Distribution Units (PDU) sei nicht nötig, durch das Verbot von Energie-Mindestabnahmen würden Risiken einseitig auf den Betreiber verlagert, und die Vorgabe zur Serverauslastung (> 20 %) könne Server unnötig belasten.

Es besteht also noch Redebedarf – aber auch viel Potenzial, das EU-Fernziel zu erreichen: klimaneutrale Datencenter bis 2030.

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Zahlen, Daten, Fakten

  • Wäre das Internet ein Land, käme es beim weltweiten Energieverbrauchsvergleich auf Platz 6 – hinter China, USA, EU, Indien, Japan.

  • 80 Prozent des weltweiten Datenverkehrs im Internet entfallen auf das Streamen von Videos.

  • 30 Minuten Videostreaming produziert so viel CO2 wie eine 6 Kilometer lange Autofahrt.

  • Ein zehnminütiges Youtube-Video verbraucht ähnlich viel Energie wie ein elektrischer 2000-Watt-Ofen in 5 Minuten – oder fünf Stunden lununterbrocher E-Mail-Versand mit angehängten Dateien.

  • 2018 hat Videostreaming weltweit so viel Strom verbraucht wie Deutschland, Italien und Polen zusammen und so viele CO2-Emissionen verursacht wie Spanien.

  • Die Internetnutzung in Deutschland samt angeschlossener Geräte produziert jährlich 33 Millionen Tonnen CO2.

  • In den USA machen Streamingdienste bereits mehr als 70 Prozent der Internetnutzung aus.

  • Pro Minute gehen bei Google etwa 4 Millionen Suchanfragen ein. Mit dem Stromäquivalent von 20 Anfragen lässt sich eine Energiesparlampe eine Stunde betreiben, mit 200 Anfragen ein Hemd bügeln.

  • Alle Google-Dienste zusammen verbrauchen jährlich so viel Energie wie San Francisco.

  • IKT verursacht doppelt so viele Treibhausgasemissionen wie die zivile Luftfahrt.

  • Wäre das Internet ein Land, käme es beim weltweiten Energieverbrauchsvergleich auf Platz 6 – hinter China, USA, EU, Indien, Japan.

  • Die Rechenzentren in Frankfurt, einem der weltweit größten Internet-Knotenpunkte, verbrauchen 20 Prozent des Stroms der Stadt – mehr als der Flughafen.
    (Quellen u.a.: Heise, Tagesspiegel, Quarks)



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