Schneller, sicherer, günstiger
Die Top 5 Trends im Edge Computing 2021
Edge Computing steht 2021 vor dem Durchbruch und könnte erstmals großflächig zum Einsatz kommen. Wie Unternehmen branchenübergreifend von der Technologie profitieren.
Motortemperatur 50 Grad, Stromaufnahme 12 Ampere, Türöffnungen 9.576: Die Sensordaten der Aufzugtür signalisieren den reibungslosen Betrieb dieses Fahrstuhls, der gerade vom 13. in den 14. Stock unterwegs ist. Doch nach der nächsten Türöffnung steigen die Werte plötzlich auf 56 Grad und 16 Ampere. Das System meldet an den Fahrtstuhlservice: Der Türgurt muss schleunigst gereinigt werden, sonst droht die Tür – und damit der Aufzug – auszufallen
Vernetzte Aufzüge sind bei großen Herstellern wie Schindler, Thyssenkrupp oder Kone bereits Standard. Jede Bewegung des Fahrstuhls und der Türen, jede Vibration, Temperatur oder auch akustische Auffälligkeit wird von Sensoren erfasst und in die Cloud gemeldet. Machine-Learning-Algorithmen analysieren die Daten und ermöglichen dem Hersteller oder Betreiber beispielsweise, potenzielle Ausfälle vorherzusehen und Aufzüge vorausschauend zu warten (Predictive Maintenance).
Es ist aber, wie im Beispiel des hakelnden Türgurts, nicht nur eine schnelle Reaktion gefragt. Es sind auch geschäftlich sensible Betriebsdaten im Spiel, die aus Effizienz- und Perfomance-Gründen nahe am Entstehungsort verarbeitet werden sollten. Hier kommt Edge Computing ins Spiel (siehe Infokasten): Ein Gateway im Aufzug verarbeitet die kritischen Werte der Sensorik in Echtzeit direkt vor Ort und kann umgehend Maßnahmen einleiten – etwa die Kabine kurzfristig stilllegen, bevor sich die Tür nicht mehr öffnet. Sensible Daten bleiben auf dem Gateway im Gebäude; alle relevanten Daten für die Reparatur wie Position des Aufzugs, Zeitpunkt des Events und betroffene Komponente erhält ein Servicetechniker automatisch auf sein Mobilgerät, inklusive Reparaturdetails, Wartungsfahrplan, Werkzeug- und Ersatzteileliste sowie Navigation zum Gebäude. Das spart wertvolle Zeit.
Was ist Edge Computing?
Beim Prinzip des Edge Computing sind Geräte wie etwa ein Gateway mit Rechen- und Speicherkapazität zwischen IoT-Sensorik und Cloud geschaltet. Edge-Geräte filtern die Masse an Daten von Sensoren vor und verarbeiten Echtzeitdaten direkt vor Ort. Nur die relevanten Daten für eine spätere Analyse senden sie in die Cloud. Das hat gleich mehrere Vorteile: Echtzeitverarbeitung vor Ort ermöglicht niedrige Latenz und somit schnelle Reaktion. Die Datenmenge in Richtung Cloud ist geringer, das spart Bandbreite, Zeit und Übertragungskosten. Außerdem verlassen sensible Daten nicht das Firmengelände, ein Pluspunkt für Datenschutz und Datensicherheit.
Die Vorteile des Edge Computings – niedrigere Latenzen, höhere Datensicherheit und Kostenersparnis – könnten 2021 zu einem Boom dieser Technologie führen. Unternehmen stellen immer höhere Anforderungen ans Internet of Things, weshalb sich verschiedene Trends auch fürs Edge Computing entwickelt haben:
Trend Nr. 1: Daten lokal und in Echtzeit analysieren
Intelligente Datenverarbeitung kann mit Edge Computing früher im Analyseprozess geschehen. Wichtige Daten direkt an der Quelle zu verarbeiten, ohne Umweg über die Cloud, hilft Unternehmen, schnellere Entscheidungen zu treffen. Eine niedrigere Latenz ist zudem für einen verzögerungsfreien Datenstrom bei echtzeitbasierten Technologien wie Augmented und Virtual Reality nötig, ebenso beim Digital Twin oder Video Monitoring in der Produktion. Der Trend wird befeuert durch optimierte Hardware für Künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie offene Standards und Frameworks, die mittlerweile für Edge Computing zur Verfügung stehen.
Trend Nr. 2: Datenübertragung reduzieren
Sensoren an Maschinen und Geräten erzeugen enorme Datenmengen, die auf dem Weg in die Cloud eine entsprechende Bandbreite benötigen. Werden sie bereits vor Ort gefiltert, müssen weniger Daten in die Cloud gesendet werden. Das spart Kosten sowohl bei der Übertragung als auch bei der Speicherung im Rechenzentrum – ein relevanter Kostenfaktor in Zeiten von Big Data. Die Echtzeitbearbeitung geschieht in der Nähe der Datenquelle, die vorausschauende Datenanalyse in der Cloud.
Trend Nr. 3: Campusnetze auf dem Vormarsch
Auch der neue Trend zu 5G-Campusnetzen wird Edge Computing voranbringen. Ein lokales Netzwerk für ein Firmengelände oder eine Fabrik soll Maschinen, Roboter oder autonome Transportfahrzeuge mit planbarer Datenübertragungsqualität und niedriger Latenz vernetzen. Hier spielen Rechenkapazitäten vor Ort eine entscheidende Rolle, um den Weg der Daten vom Sensor zur Analyse und zurück so kurz wie möglich zu halten.
Trend Nr. 4: Sicherheit erhöhen
Ein Faktor bei Datenschutz und Datensicherheit: Je weniger Informationen das Betriebsgelände verlassen, desto sicherer. Das ist auch der Vorteil eines Campusnetzes (s.o.): Sensible Produktionsdaten, die lediglich vor Ort verarbeitet werden, bleiben geschützt innerhalb des Campus. Und: Auf das Campusnetz haben nur Mitarbeiter Zugriff, es arbeitet physisch getrennt vom öffentlichen Internet und bietet so keine Einfallstore für Hacker.
Trend Nr. 5: Neue Anbieter auf dem Spielfeld
Was den Trend zu Edge Computing den Marktforschern von Forrester Research zufolge zusätzlich antreibt: Große Anbieter wie Dell, HPE, IBM und Intel setzen mit Cloud-ähnlichen Lösungen, die sich überall einsetzen lassen, verstärkt auf den Edge-Bereich. Zudem bieten Betreiber von Content Delivery Networks (CDN) und Colocation-Kapazitäten in Rechenzentren mittlerweile Edge-Computing-Dienste an, um Anwendungen von Unternehmen zu beschleunigen. Die Marktforscher von IDC prognostizieren ein Wachstum des weltweiten Edge-Computing-Markts bis 2024 auf 250 Milliarden Dollar. Dabei heißt es nicht zwingend: Edge oder Cloud. Beide Modelle können sich sinnvoll ergänzen – Big Data in der Cloud, Echtzeitanalyse auf dem Edge Device. Auch die drei großen Public-Cloud-Betreiber Amazon (AWS), Google (Cloud Platform) und Microsoft (Azure) bieten mittlerweile Edge-Computing-Funktionen an, da sie den Wert der Verarbeitung und Analyse von Daten näher an der Quelle erkannt haben. Die Überschneidung zwischen Cloud und Edge Computing ist für beide Seiten von Vorteil. 2021 werde dieses Zusammenspiel forciert, sagen deshalb die Cloudexperten von TechHQ.
Wie Edge Computing die IT fordert
Um den größten Nutzen aus Edge Computing zu ziehen, ist eine IT- und IoT-Architektur nötig, die die spezifischen Anforderungen an Datenverarbeitung, Analytik und den Workflow berücksichtigt. Genauso wichtig sind regulatorische und sicherheitstechnische Anforderungen. Hier können vor allem mittelständische Unternehmen, die diesen Aufwand scheuen oder denen das Know-how fehlt, mittlerweile auf Edge-IoT-Komplettlösungen zurückgreifen.
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