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Grüne Rechenzentren

Wie wärmeliebende Algen von energiehungrigen Servern leben

Sie verbrauchen enorme Mengen Strom und erzeugen viel Wärme, die bisher meist ungenutzt in die Luft geblasen wird. Fernwärme, Algen und Windenergie können Rechenzentren aber ein Stück weit grüner machen.

Ihr Hunger nach Strom ist immens. Und er steigt seit Jahren enorm an. 2020 haben Rechenzentren knapp sechs Prozent des weltweit erzeugten Stroms verbraucht. Allein in Deutschland verschlingen die laut Borderstep Institut rund 50.000 Rechenzentren jährlich so viel Energie wie die Stadt Berlin – was etwa 12,5 Milliarden Kilowattstunden entspricht. Und der Energiebedarf von Rechenzentren in Europa ist zwischen 2010 und 2020 um 55 Prozent stark gestiegen – von 56 auf 87 Terawattstunden pro Jahr. Und Corona hat diesen Trend nicht gestoppt, denn allein der enorme Zuwachs an Videokonferenzen frisst eine Menge Strom. Oder auch eine Stunde Video-Streaming in Full-HD-Auflösung verbraucht zum Beispiel 220 bis 370 Wattstunden Energie. Wobei die Ökobilanz trotz des zunehmende Energiebedarfs zugunsten der Rechenzentren ausfällt. Denn durch Videokonferenzen statt Bahn-, Flug- oder Pkw-Reisen entstehen deutlich weniger CO2-Emissionen: bei vier Personen gerade mal 0,7 kg CO2 statt 65 bis 500 kg.

Starke und leistungsfähige Rechenzentren sind das Rückgrat der Digitalisierung (Quelle: eco Verband)

Energiebedarf pro Gigabit stark gesunken

Um dennoch den Energieverbrauch zu senken und parallel mehr Ökostrom zu nutzen, setzen die Betreiber der Rechenzentren auf neue Technologien. Sie konnten in den vergangenen Jahren die Effizienz ihrer Datenfabriken enorm erhöhen. So ist der Energiebedarf pro Gigabit gespeicherte und verarbeitete Daten heute 12-mal geringer als 2010. Doch gleichzeitig hat sich im selben Zeitraum die Rechenleistung der Datacenter um das Zehnfache erhöht. Der ökologische Fußabdruck hat sich also kaum verändert.

Der Druck auf die Betreiber nimmt weiter zu. Die EU-Kommission hat im Frühjahr 2020 im Rahmen der Wachstumsstrategie „European Green Deal“ unter anderem auch das Ziel verabschiedet, dass Rechenzentren bis 2030 klimaneutral sein sollen. Was die Betreiber auch sehr ernst nehmen. Rund 50 Unternehmen und Verbände in der EU haben im Januar 2021 eine Selbstregulierungsinitiative gegründet, die den klimaneutralen Betrieb ihrer Rechenzentren bis 2030 vorsieht.

Aber wie lässt sich der Energieverbrauch weiter zügeln, mehr Ökostrom nutzen und die Energiebilanz eines Rechenzentrums verbessern? Dafür testen die Betreiber unterschiedlichste Lösungen. Sie setzen zunehmend auf regenerative Energiequellen wie Sonne, Wärme und Wind. Microsoft versenkt Datacenter im Meer, um sie zu kühlen und den Stromverbrauch zu senken. Andere tauchen ihre Server in spezielle Kühlflüssigkeiten oder errichten Serverfarmen in stillgelegten Bergstollen und nutzen kaltes Quellwasser zur Kühlung. In solchen Abwärmekonzepten sehen Studien auch einen wesentlichen Schlüssel für grünere Rechenzentren.

Kühlung verbraucht ein Drittel der Energie

So könnten Rechenzentrumsbetreiber und Energieversorger voneinander profitieren. Denn auch die Energieversorger stecken in der Zwickmühle. Sie wollen immer mehr Strom nachhaltig produzieren. Doch der rasante Anstieg des Stromverbrauchs durch Digitalisierung und Rechenzentren spielt ihnen dabei nicht unbedingt in die Karten. Denn nicht nur die Serverfarmen selbst verbrauchen viel Strom. Auch die Kühlung der Serverräume verschlingt rund ein Drittel der gesamten Energie eines Rechenzentrums, da die von den Rechnern erzeugte Wärme abgeführt werden muss – rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr.

Die Idee ist es, diese 30 Grad warme Luft zukünftig besser zu nutzen, eine Art Daten-Wärme-Kopplung, vergleichbar mit einer Kraft-Wärme-Kopplung, bei der gleichzeitig Strom und Heizwärme erzeugt werden. Mit dem Unterschied, dass eine Rechenzentrum gleichzeitig Daten verarbeitet und Wärme erzeugt, und sowohl Daten als auch Wärme sinnvoll genutzt werden. Bisher allerdings wird sie meist in die Umgebung geblasen. Nutzen Rechenzentren Wasserkühlung, ist das abgeleitete Wasser sogar bis zu 60 Grad heiß und wird in die Kanalisation abgeleitet. Einige Rechenzentren heizen inzwischen wenigstens die eigenen Büroräume mit der warmen Abluft. Aber laut Borderstep machte dies 2020 nur ein Prozent der produzierten Abwärme aus. 99 Prozent verpuffen also ungenutzt in der Luft.

„Der Strom, der in Rechenzentren reingeht, könnte 1:1 in Wärme umgewandelt werden. Man kann sagen, ein Rechenzentrum ist eine große Heizplatte. Diese Wärme könnte ich zum Beispiel für die Wohnungsheizung, Warmwasserbereitung etc. gut nutzen.“
Dr. Ralph Hintemann, Borderstep Institut

Power Use Effectiveness (PUE) geht gegen 1,0

Borderstep bemängelt, dass es den Rechenzentren an Abnehmern für die Abwärme fehlt oder die Nutzung noch zu unwirtschaftlich sei. Aber auch hier tut sich was. Ein Positionspapier des Energieeffizienzverbands AGFW, des Digitalbranchenverbands Bitkom und der Infrastrukturallianz SDIA stellt fest, dass der in einem Rechenzentrum verbrauchte Strom „unter Nutzung von Großwärmepumpen zu etwa 70 Prozent wieder nutzbar gemacht werden kann.“ Zudem sei in Rechenzentren mit einer weiteren Steigerung der Energiedichte zu rechnen, also mit höheren Temperaturen und damit qualitativ hochwertigerer Abwärme.

Auch Huawei hat die Energiebilanz der Rechenzentren Schritt für Schritt optimiert. Die wird als Power Usage Effectiveness (PUE)-Kennzahl gemessen. PUE setzt dafür den gesamten Energieverbrauch eines Rechenzentrums ins Verhältnis zum Verbrauch durch den Betrieb der IT-Infarstruktur und die eigentliche Datenverarbeitung. 1,0 wäre also der theoretisch optimale PUE. Lange Zeit lag der Wert in Deutschland durchschnittlich bei 1,8. Bis 2025 soll er 1,5 erreichen. Huawei schafft unter anderem durch Technologie zur Flüssigkeitskühlung inzwischen einen PUE von 1,1.

Mit Abwärme Wohnungen heizen

Diese Entwicklung entspricht auch den Vorstellungen der Bundesregierung, die Ende 2019 im Nationalen Aktionsplan Energie-Effizienz die verstärkte Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren als erklärtes Ziel festhält. Zum Beispiel als Fernwärme zum Heizen von Gebäuden oder für Gewächshäuser und Vertical Farming.

Und es tut sich was in den Unternehmen. Ein modernes, 2017 gebautes Rechenzentrum der Volkswagen Financial Services AG arbeitet nicht nur komplett mit Ökostrom und moderner Kühlung. Mit der Abwärme versorgt das Unternehmen über einen regionalen Energieversorger 100 Häuser eines Neubaugebiets in der Nähe des Rechenzentrums jährlich mit rund 730 MWh Wärme. Auch wenn eine zusätzliche Wärmepumpe notwendig ist, um die zum Heizen notwendige Temperatur zu erreichen. Für diese Idee bekam Volkswagen 2019 einen „Deutschen Rechenzentrumspreis“.

Die Nutzung der Abwärme könnte zukünftig noch interessanter für Energieversorger werden. Cisco hat prognostiziert, dass im Jahr 2021 mehr als die Hälfte aller Server in nur etwa 630 Hyperscale-Rechenzentren installiert sein werden. Würde die Hälfte des gesamten Serverstroms weltweit hier in Wärme umgewandelt, dann sollte sich die Weiternutzung der Abwärme auf jeden Fall rentieren.

Algen nutzen Abwärme von Rechenzentrum

Auch bei der Stromerzeugung gehen manche Rechenzentrumsbetreiber neue Wege. Ende August 2020 ging in Enge-Sande, 35 Kilometer südwestlich von Flensburg, ein neues, weitgehend mit Windenergie sowie zusätzlich Solar- und Biogasstrom versorgtes Rechenzentrum in Betrieb. Das Rechenzentrum gehört Windcloud 4.0, einem nordfriesischen, auf Cloud-Services spezialisierten Unternehmen.

Porträt des CO2-neutralen Rechenzentrums von Windcloud 4.0 (Quelle: SH - Der echte Norden)

Aber nicht nur die Nutzung von Ökostrom macht das Rechenzentrum besonders. Mit der etwa 35 Grad temperierten Abwärme versorgt Windcloud 4.0 eine Algenfarm auf dem Dach des Datacenters. Die Algen freuen sich nicht nur über die warme Luft. Sie konsumieren auch reichlich Kohlendioxid: Ein Kilogramm Algen verzehrt immerhin zwei Kilogramm CO2. Künftig will Windcloud 4.0 Bunker auf ehemaligen Militärstandorten für weitere Rechenzentren und die dazwischen liegenden Grünflächen für landwirtschaftliche Projekte verwenden und dafür die Abwärme unmittelbar nutzen.



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