Windkraftanlagen
Wie Künstliche Intelligenz erneuerbaren Energien Rückenwind gibt
KI macht Windparks smarter: Dank lernender Algorithmen passen sich die Anlagen flexibel an die Wetter- und Verbrauchssituation an – und Turbinen üben sich sogar in Rücksichtnahme. Warum wir für die neue Energiewelt solch intelligente Lösungen brauchen.
Anfang August 2020: Sommerhitze in ganz Deutschland. Sonne satt, aber leider nirgendwo ein laues Lüftchen. Setzen Energieunternehmen auf regenerative Energien, gehören die Launen der Natur zum Geschäft. Weht es mal etwas kräftiger, erzeugen Windparks mehr Strom als benötigt. Spürt man nicht den leisesten Hauch, decken die Windräder allenfalls einen geringen Prozentsatz des Bedarfs ab. Weil wir unsere Klimaziele aber nur mit der Kraft von Sonne, Wasser und Wind erreichen, braucht die neue Energiewelt innovative und intelligente Lösungen, um solche Schwankungen auszugleichen – zum Beispiel mit der Unterstützung von Künstlicher Intelligenz.
Stabilere Netze dank lernender Algorithmen
Einsatzfelder für KI-Anwendungen gibt es viele: Predictive Maintenance, Produktionsprognosen, Spotmarkt-Forecasts oder Laststeuerung und Lastmanagement-Analysen. In einer Umfrage der Deutschen Energie-Agentur aus dem vergangenen Jahr zeigten sich 82 Prozent der Entscheider aus deutschen Energieunternehmen überzeugt, dass KI eine wichtige Rolle für die integrierte Energiewende spielen wird. Etwa durch KI-gestützte Analysen von Wetter- und Sensordaten, die genauere Prognosen ermöglichen und dadurch Netzstabilität und Versorgungssicherheit erhöhen.
Windturbinen: Daten als Lehrmeister
Weil auch die Bundesregierung von dem Nutzen der KI für den Energiesektor überzeugt ist, unterstützt das Bundesforschungsministerium beispielsweise das Projekt ALICE. Das Ziel: die Entwicklung lernender Windturbinen, die auf der Basis ihrer Betriebsdaten immer schlauer werden und sich dank KI an wechselnde Umwelt- und Lastbedingungen anpassen können. Die zur Verfügung stehende Datenbasis ist immens: 600.000 Messdaten können pro Sensor und Minute entstehen, darunter Schwingungen, Vibrationen, Windgeschwindigkeiten, Temperaturen oder die Ausrichtungswinkel der Rotoren. Sensoren erfassen mehr als 100 solcher Parameter. Energieunternehmen nutzen diese Daten teilweise schon, um früher auf Störungen aufmerksam zu werden. Bald schon allerdings könnte KI das Zusammenwirken der einzelnen Anlagen innerhalb eines Windparks verbessern. Im selbstlernenden Windpark „soll jedes Windrad wissen, wie es seine Rotoren für die beste Leistung ausrichten muss“, sagt ALICE-Forscher Andreas Ziehe von der TU Berlin. Ein intelligentes Windrad berücksichtigt dann beispielsweise auch, dass die Luftwirbel der eigenen Turbine die Leistung der nachstehenden Windräder beeinflussen.
KI verbindet Anlagen mit der digitalen Welt
Mit der Unterstützung intelligenter Algorithmen synchronisiert auch Energieversorger E.ON seine Turbinen, um sie optimal zum Wind auszurichten. Das Energieunternehmen berechnet mit KI beispielsweise, wie viel Wind am nächsten Tag oder in den nächsten Stunden in einem Windpark bläst. So kann das Unternehmen schon im Vorfeld sowohl auf einen Mangel an Windenergie als auch auf einen erwartbaren Überschuss reagieren. Auch Konkurrent EnBW in Baden-Württemberg nutzt KI, um seine Windkraftanlagen zu optimieren: Dazu hat das Unternehmen das KI-System ADAZ (Anwendung zur Diagnose, Analyse und Zustandsüberwachung) entwickelt. Die Lösung wertet bis zu 50.000 Messdaten pro Sekunde aus. Auf diesem Wege erkennt EnBW unter anderem Schäden früher und kann Reparaturkosten verringern. Der KI-Einsatz rechnet sich: EnBW sparte bereits mehrere Millionen Euro ein.
Intelligenter Vogelschutz an Windkraftanlagen
Obwohl die Energiewende ohne Windkraft nicht denkbar ist, hinkt ihr Ausbau in Deutschland seit Jahren den gesetzten Zielen hinterher. Für diese Flaute gibt es viele Gründe. Einer davon: Vogelschützer laufen Sturm gegen neue Anlagen. Mit Unterstützung von KI können Windkraftanlagen jedoch selbst etwas für den Artenschutz tun. Das beweist das von der Bundesregierung geförderte intelligente Kamerasystem „BirdVision“. Industriekameras erkennen dank eines neuronalen Deep-Learning-Netzwerks windkaftempfindliche Vogelarten. Sobald sich ein Vogel der Anlage nähert, registriert dies das KI-System und schaltet das Rad kurzzeitig aus, wenn das Tier den Rotorblättern zu nahe kommt.
So viel Strom erzeugen erneuerbare Energien
Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deckten erneuerbare Energien im ersten Quartal 2020 erstmals rund 52 Prozent des Bruttoinlandstromverbrauchs. Sonne, Wind und andere regenerative Quellen erzeugten insgesamt rund 77 Mrd. kWh Strom (Q1 2019: 67,1 kWh). Davon stammten fast 43 Mrd. kWh aus Wind onshore, gut 11 Mrd. kWh aus Biomasse, 9 Mrd. kWh aus Wind offshore, 7 Mrd. kWh aus Photovoltaik und 5 Mrd. kWh aus Wasserkraft.
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