Dr. Robot, bitte in den OP

Dr. Robot, bitte in den OP!

Wenn Krankenhäuser digitalisieren, geht ein besonderes Heilsversprechen von besserer Behandlung, mehr Effizienz und Kosteneinsparungen mit einher. Im OP, dem kritischsten und teuersten Bereich, sind zahlreiche Insellösungen bisher noch ein Stolperstein.

Die Patientin schläft bereits tief, als die Schwester sie in den Operationssaal schiebt. Das Anästhesie-Team leitet die Narkose ein. Der Chirurg öffnet den Brustkorb der Patientin, die Herz-Lungen-Maschine übernimmt den Kreislauf. Jetzt tritt Dr. Robot in Aktion: Der hochpräzise arbeitende OP-Roboter öffnet – gesteuert von der Chirurgin – das blutleere Herz und entfernt die kranke Herzklappe. Anschließend näht er die passende Prothese in den Herzmuskel ein, prüft am Monitor, ob die neue Klappe einwandfrei funktioniert. Das Team stellt die Herz-Lungen-Maschine ab. Noch zwei Drainagen eingelegt, und die Klappeninsuffizienz der 29-Jährigen ist Vergangenheit. Die Operateurin dokumentiert den Verlauf des Eingriffs am Tablet, das mit dem Krankenhaus-Informationssystem verbunden ist. So haben die Ärzte und Pfleger, die die Patientin anschließend auf der Intensivstation betreuen, sofort alle nötigen Informationen zur Hand.

Schwierige Vernetzung: Insellösungen im OP

In vielen deutschen Krankenhäusern ist der Anfang bereits gemacht und die Kernprozesse wie Patientenaufnahme und Abrechnung sind digitalisiert. Allerdings hinken die deutschen Einrichtungen im internationalen Vergleich noch hinterher. Laut aktuellem Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) arbeiten rund 40 Prozent der deutschen Krankenhäuser kaum digital. Sie nutzen beispielsweise keine elektronische Patientenakte (ePA) oder einen digitalen Medikationsprozess. Dabei sind die Heilsversprechen groß. Das Ziel: Ein Smart Hospital, in dem möglichst alle Geräte und Abteilungen per IoT (Internet of Things) miteinander und dem Krankenhaus-Informationssystem (KIS) vernetzt sind, damit alle Abteilungen effizienter und schneller zusammenarbeiten können. Tatsächlich sind Perfusoren, Blutdruckmessgeräte und Ultraschallgeräte der Stolperstein im Digitalisierungsprozess. Denn die herstellerspezifischen Insellösungen lassen sich nur schwer vernetzen. Zudem kämpfen die Einrichtungen mit zunehmender Überlastung und personellen Engpässen.

Enormes Potenzial für 5G, AR und VR

In puncto Konnektivität kommen der neue Mobilfunkstandard 5G und WiFi6 ins Spiel. Sie haben das Potenzial, den enormen Bedarf eines Krankenhauses an robuster und verfügbarer Konnektivität zu decken. Sei es, um die Bilder drahtloser Kameras und die Informationen mobiler Roboter zu übertragen. Oder um alle anfallenden Patientendaten in der Krankenhaus-Cloud zu speichern, bestenfalls in einer zentralen digitalen Bibliothek, sodass die Informationen allen Behandelnden jederzeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ließen sich die Daten nutzen, um intelligente Algorithmen zu trainieren. So erhielten Ärzte in der Ausbildung und bei der Behandlung Unterstützung: Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) würden bei der Anamnese anhand von MRT- und CT-Aufnahmen zur Seite stehen. Und Chirurgen erhielten bei Operationen visuelle Anleitung, damit jeder Eingriff möglichst klein und zielgenau verläuft.

Warum der Digitalisierungsstau?

„Wir haben ernst zu nehmende systemische Probleme in unserem Krankenhauswesen“, warnt Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), und nennt drei Fakten, die ihm besonders Sorgen bereiten: Ein Drittel der Krankenhäuser schreibt rote Zahlen, bei der Behandlung von neun Millionen Notfallpatienten im Jahr entsteht ein Minus von einer Milliarde Euro, und statt der erforderlichen sechs erhalten die Kliniken jährlich nur drei Milliarden Euro für Investitionen. In den Fokus tritt der OP als relevanteste und zugleich teuerste Abteilung.

Der smarte OP

Im digitalen Krankenhaus spielt der intelligente OP-Bereich auch deshalb eine besondere Rolle, weil hier bereits minimale Abweichungen oder fehlende Informationen dramatische Folgen haben können. Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden hat jetzt digital vorgelegt und sechs seiner 17 OP-Säle umfassend technisch ausgerüstet und digitalisiert. Die Einrichtung will auf diesem Weg nicht nur interne Workflows verbessern, sondern ein ambitioniertes Forschungsvorhaben verfolgen. 2019 entstanden das Zentrum für Digitale Gesundheit und eine Außenstelle des Deutschen Krebsforschungszentrums, um die Chirurgie mit digital unterstützter Forschung voranzubringen. Die digitalen OP-Säle integrieren nahtlos die Technologien aller Geräte und Softwarelösungen. Außerdem verfügt die IT-Lösung über eine Schnittstelle zum KIS, um jederzeit Anamnese, Untersuchungsergebnisse, Diagnosen, Befunde und Therapien der Patienten griffbereit zu haben.

Unterstützung per Drag-and-Drop

Die Vorteile: Alle für den chirurgischen Eingriff benötigten Informationen sind jederzeit zentral abrufbar, sowohl im OP als auch außerhalb. Wird eine Operation kurzfristig in einen anderen Saal verlegt, lässt sich das im System einfach umstellen und die Worklist des Operateurs erscheint sofort auf dem richtigen Bildschirm. Zudem konfiguriert sich das Team einfach per Drag-and-Drop, welche Informationen auf welchem Monitor angezeigt werden. So kann sich jedes Teammitglied auf die für seine Aufgaben relevanten Informationen fokussieren. Weiteres Plus der neuen IT-Ausstattung: Die Ärzte können während der Operation eine MRT durchführen, ohne die sterile Umgebung verlassen zu müssen. Oder den Pathologen per Telemedizin um eine Einschätzung bitten. Und den Eingriff per Videoaufnahme dokumentieren und später per Webportal auf die Aufnahme zugreifen, sei es am Schreibtisch oder im Hörsaal.

Da Vinci am OP-Tisch

Auch das Westpfalz-Klinikum in Kaiserlautern setzt auf Unterstützung von Dr. Robot am OP-Tisch. Seit 2019 ist dort der OP-Roboter Da Vinci Xi Multiport von Intuitive im Einsatz. Er operiert minimal-invasiv und millimetergenau.

Copy: Allerdings nicht ohne menschliches Zutun: Der Chirurg steuert ihn über eine Konsole mit Controllern und Fußpedalen. Den Verlauf des Eingriffs verfolgt er über einen Monitor. „Der Da Vinci Xi Multiport ist das Beste, was der Markt derzeit hergibt“, sagte Dr. Christian Mönch, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationsmedizin und Ärztlicher Direktor.

Das Navi für die OP

Ein Navigationssystem für den OP mit Checkliste für das Team kommt von Brainlab. Die Münchner bieten Hard- und Software für bildgesteuerte Operationen und Strahlentherapie in der Onkologie. Die Lösungen unterstützen den Operateur beispielsweise dabei, die richtigen Schnitte zu setzen. Der zu entfernende Tumor erscheint dreidimensional in 4K-Qualität auf dem Bildschirm und erleichtert dem Chirurgen die Orientierung im Gehirn. Bei Eingriffen mit dem Mikroskop helfen Mixed-Reality-Bildinformationen und die Brainlab-Roboter sind der dritte Arm im OP. Hochauflösende Kameras nehmen das Geschehen im Operationssaal auf und streamen es bei Bedarf via Internet, etwa um schnell die zweite Meinung eines Kollegen einzuholen. Der digitale OP kann sogar lernen: Per Machine Learning analysiert die Lösung die Eingriffe, um die Verfahren zu verbessern oder zu verfeinern, und teilt die Ergebnisse mit den anderen Systemen.

Sprachsteuerung im Operationssaal

Die Asklepios Klinik in Lindenlohe hat gemeinsam mit Johnson & Johnson einen hauseigenen Standard entwickelt. Er umfasst die Abfolge der einzelnen OP-Schritte, die verwendeten Instrumente sowie sicherheitsrelevante Meilensteine und die Dokumentation. Eine Software-Lösung leitet das OP-Team per Sprachausgabe und Monitoren durch die Operation. So läuft jeder Eingriff nach den gleichen Qualitätsstandards ab und die Dokumentation ist direkt mit erledigt.

Fraunhofer setzt auf eine KI

Das Universitätsklinikum Mannheim und Forscher der Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie (PAMB) wollen die Prozesse im Krankenhaus mit Künstlicher Intelligenz (KI) verbessern. Für ein Projekt vernetzten sie einen Operationssaal und eine Krankenstation. Alle Daten, die während eines operativen Eingriffs anfallen, sollen zentral erfasst werden. Die Frage: Wenn eine KI die Abläufe in OP und auf der Station optimiert, werden Operationen und Klinikaufenthalte künftig kürzer ausfallen? Ist eine personalisierte Medizin möglich und könnten Ärzte und Pfleger mehr Zeit für ihre Patienten erübrigen, wenn schlaue Algorithmen ihnen den Papierkram abnehmen?

„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Christian Reis, stellvertretender Leiter der Projektgruppe. „Unmengen Daten fallen permanent im Klinikalltag an. Bislang werden sie nur teilweise erfasst und stehen nur bedingt für Auswertungen zur Verfügung. Es ist deshalb völlig unklar, welches Potenzial in ihnen schlummert.“ Im nächsten Schritt werden die Fraunhofer Forscher prüfen, ob die Datenbasis ausreicht, um sie von einer KI auswerten zu lassen. Falls ja, könnten die Algorithmen Hinweise geben, wie sich der Alltag im OP in Zukunft verbessern ließe.



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