Von der Diagnose bis zur Therapie: Wie digitale Technologien die medizinische Versorgung verbessern – und der Gesundheitsbranche ein enormes Wachstumspotenzial bescheren.
Mit einer Handprothese nach rohen Eiern greifen oder Texte am Laptop tippen – bisher mussten Träger von Handprothesen dafür mehrere Muskeln gleichzeitig anspannen.
Und sich geistig wie auch körperlich anstrengen. Dank Ottobock genügt jetzt die schiere Kraft der Gedanken, um beide Aufgaben problemlos zu bewältigen:
Gemeinsam mit Medizinern der Universität Tübingen hat der Medizintechnikanbieter aus Niedersachsen
eine intuitive Steuerung entwickelt,
die auf Künstliche Intelligenz (KI) setzt. Die Prothesenträger aktivieren die verbliebene Muskulatur, indem sie sich vorstellen, ihre Hand zu öffnen oder zu schließen.
Elektroden am Unterarm messen die Muskelsignale und übersetzen die Informationen per lernendem Algorithmus in die passenden Bewegungen.
Die intelligente Handprothesensteuerung von Ottobock belegt, dass digitale Technologien der Medizin völlig neue Horizonte eröffnen.
Zuvorderst verbessern sie die medizinische Versorgung von Patienten und ebnen neue Wege für Diagnose, Therapie und Forschung.
Darüber hinaus bietet die digitale Transformation des Gesundheitswesens aber auch enorme wirtschaftliche Potenziale.
Wachstumsschub durch Künstliche Intelligenz (KI)
Laut einer aktuellen
Roland-Berger-Studie wird das Marktvolumen für digitale Produkte und
Dienstleistungen in der Branche europaweit bis 2025 auf etwa 155 Milliarden
Euro wachsen. Davon entfallen bereits 38 Milliarden Euro auf den deutschen
Markt. Den größten Wachstumsschub erwarten die Studienteilnehmer in dem
Sektor digitale Krankheitsprävention und KI-Diagnostik. Auch KI-basierte
Therapieentscheidungen und digitale Therapien gelten als Wachstumstreiber.
Allein das
Marktvolumen für Gesundheits-, Diagnose- und Selbstüberwachungs-Apps werde
bis 2025 auf 16 Milliarden Euro steigen.
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Digitaler Gesundheitsmarkt wächst europaweit bis 2025 auf 155 Milliarden Euro
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2025 wird Digital Health acht Prozent des Gesundheitsmarkts in Europa ausmachen
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Deutsches Marktvolumen bis 2025: 38 Milliarden Euro
Deutsche Klinikkette: 500 Millionen Euro für die Digitalisierung
Viele Unternehmen haben die Chancen der digitalen Transformation
bereits erkannt. Die deutsche Klinikkette Asklepios will langfristig zwei
Drittel ihres Umsatzes mit digitalen Dienstleistungen erwirtschaften. Dafür
plant sie, bis 2024 rund 500 Millionen Euro in ihre Digitalisierungsstrategie
zu investieren. Dies soll insbesondere das medizinische Klinikpersonal von den
immer umfangreicheren Dokumentationspflichten entlasten. Experten gehen davon
aus, dass Pflegekräfte und Ärzte in Deutschland mittlerweile etwa ein Drittel
ihrer Arbeitszeit für Aufgaben im Bereich Dokumentation und Administration
aufwenden. Online-Terminvergabe, digitale Patientenakte, Telemedizin, aber auch
Automatisierungen und Robotik bieten einen guten Hebel für Einsparungen und
Entlastung.
KI übernimmt administrative Tätigkeiten
Auch niedergelassene Ärzte in Deutschland setzen zunehmend auf digitale Lösungen.
Mehr als 100.000 Praxen nutzen bereits die Telematikinfrastruktur des deutschen Gesundheitssystems, etwa für elektronische Terminservices.
Sogar den klassischen Arztbrief gibt es künftig immer öfter digital – so lässt er sich direkt aus dem Praxisverwaltungssystem verschicken.
Auch Laborbefunde, Medikationspläne, Röntgenbilder, Impfpässe oder Überweisungen sollen in Zukunft elektronisch übermittelt werden.
Laut Roland-Berger-Studie könnten KI-Technologien 20 Prozent aller ärztlichen Aufgaben übernehmen – ein Großteil davon entfällt auf administrative Tätigkeiten.
„Die rasante Entwicklung der Gesundheitsbranche wird alle Marktakteure, Patienten, Ärzte, Krankenhäuser, Versicherungen und Pharmaunternehmen zum Umdenken zwingen.“
Karsten Neumann, Partner von Roland Berger
Digitalisierung: Neue Konkurrenten, neue Rollen
Die Digitalisierung verändert jedoch nicht nur die Versorgung von Patienten und die Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals.
Neue Anbieter drängen auf den Markt – von Start-ups, die digitale Lösungen entlang der gesamten Behandlungskette anbieten, bis hin zu den großen Techkonzernen,
die das ernome Potenzial des Gesundheitssektors für sich nutzen wollen.
Auch die Rollen der etablierten Akteure werden
sich erheblich verändern. Das Digitale-Versorgung-Gesetz
erlaubt zum Beispiel Krankenkassen, digitale Innovationen – von
Medizinprodukten bis zur Künstlichen Intelligenz – mit Investitionen zu
fördern. Zudem ist zu erwarten, dass Krankenhäuser und Telemedizinanbieter den ambulanten
Bereich für sich entdecken und niedergelassenen Ärzten Konkurrenz machen. Die
Studie empfiehlt etablierten Akteuren daher, verstärkt in Ökosystemen zu
denken. Und Kooperationen, auch mit ungewohnten Partnern, einzugehen. Dies mit
dem Ziel, Technologie- und Datenkompetenz aufzubauen, selbst neue
Geschäftsmodelle zu entwickeln und vom enormen Wachstumspotenzial einer
digitalen Gesundheitsversorgung zu profitieren.