Weltweit suchen Wissenschaftler nach Impf- und Heilstoffen gegen das Coronavirus.
Dabei setzen sie immer stärker auf ein Zusammenspiel von Erbgutanalysen, Künstlicher Intelligenz und Big Data.
Ende des Jahres wird es einen Impfstoff gegen das Coronavirus geben. Davon gehen die Forscher von CureVac, einem Biotechunternehmen mit Sitz in Tübingen, aus.
Sie entwickeln einen Impfstoff, der nach aktueller Einschätzung bereits im Frühsommer an Menschen getestet werden könnte.
Verlaufen die Tests erfolgreich, könnte der Impfstoff im Idealfall noch 2020 verfügbar sein.
Im März hatte ein angebliches Übernahmeangebot der US-Regierung an CureVac für Schlagzeilen gesorgt.
Der Impfstoff solle dann exklusiv für die USA genutzt werden, hieß es. CureVac stellte kurz darauf klar, dass es ein solches Angebot nie gegeben habe.
Chinesische Forscher entschlüsseln Viruserbgut
Die Aufregung um den Impfstoffhersteller zeigt dennoch, wie groß weltweit die Hoffnungen auf die Entwicklung eines Impfstoffs sind.
Die von CureVac verfolgte Lösung basiert auf einer übersetzten Form des Viruserbguts, der sogenannten viralen Messenger-RNA (mRNA).
Chinesische Wissenschaftler hatten das Erbgut des Corona-Virus bereits im Januar entschlüsselt und die Gensequenz veröffentlicht.
Auch BioNTech, ein Biotechunternehmen aus Mainz, arbeitet unter Einsatz von Gensequenzierung, Big Data und Künstlicher Intelligenz an einem solchen RNA-Impfstoff.
Ein Verfahren also, auf das Forscher auch bei der Bekämpfung von Krebs setzen. Das Prinzip: Während man bei herkömmlichen Verfahren zunächst das Virus vermehren muss,
um Reste oder abgeschwächte Formen für eine Impfung zu injizieren, gehen RNA-Impfstoffe anders vor. Dort enthält die Impfung lediglich die mRNA,
also den Bauplan, und damit nur einen Bruchteil des eigentlichen Virus. Die Vorteile: Das Risiko von Nebenwirkungen verringert sich beträchtlich.
Und RNA-Impfstoffe lassen sich sehr schnell produzieren.
RNA als wichtiger Ansatzpunkt
Ende März vermeldeten Forscher der Universität Lübeck erste Erfolge: Ihnen ist es gelungen, die Struktur der Hauptprotease des Virus zu entschlüssen.
Das Virus benötigt diese Struktur, um seine virale RNA von der Wirtzelle kopieren zu lassen. Und auch wenn es nach Einschätzung der Wissenschaftler
noch mehrere Jahre dauern wird, um auf dieser Basis ein Medikament zu entwickeln und die Zulassung dafür zu erhalten:
Für spätere Infektionswellen können diese Erkenntnisse noch äußerst relevant werden. Auch die Lübecker Forscher griffen im Übrigen auf die Gensequenz zurück,
die von chinesischen Wissenschaftlern veröffentlicht worden war.
Wie Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Corona hilft
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus arbeiten Virologen immer stärker auch mit Mathematikern und Informatikern zusammen.
Sie setzen dabei unter anderem auf Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen.
So machte ein Team von Wissenschaftlern der Universität für Wissenschaft und Technik Zentralchina,
des Krankenhauses der Xi´an Jiaotong University, des Beijing Genomics Institute und von Huawei in einem groß angelegten Screening fünf existierende Medikamente ausfindig,
die gegen das Coronavirus wirken könnten. Dabei wurden mehr als 8500 antivirale Medikamente und 160 Millionen Molekülverbindungen ausgewertet.
Auch Forscher des britischen Start-ups BenevolentAI durchsuchen Datensätze bestehender Medikamente nach Wirkstoffen gegen das Coronavirus.
Dabei testen sie Medikamente gegen HIV-Infektionen und rheumatische Athritis, die aufgrund ihrer chemischen Struktur auch gegen Covid-19 helfen könnten.
Ohne Big Data und KI wären solche Forschungsaktivitäten nicht möglich.
Eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde gegen das Virus
Mithilfe der schnellsten Hochleistungsrechner der Welt simulieren chinesische, amerikanische und europäische Computerwissenschaftler in enger Zusammenarbeit,
welche Auswirkungen bekannte Wirkstoffe und Antikörper auf das Coronavirus haben. Dazu gehören die Supercomputer Summit und Sierra,
die auf der Top-500-Liste der schnellsten Supercomputer der Welt auf den beiden ersten Plätzen stehen.
Sie erreichen gemeinsam 325 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde.
Auf noch größere Rechenleistung kann das „Folding@home“-Projekt der Stanford University zugreifen. Der Kniff: Um die Wissenschaftler dabei zu unterstützen,
die Proteinfaltung des Coronavirus zu simulieren, können Nutzer weltweit die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung stellen.
Dadurch sind die Forscher in der Lage, Schlüsselkomponenten des Virus zu untersuchen,
um dessen Verbreitung zu unterbinden. Das Projekt existiert seit dem Jahr 2000 und wurde bereits gegen Krankheiten wie Krebs und Alzheimer eingesetzt.
Erst Mitte März hatten die Wissenschaftler weltweit um Unterstützung im Kampf gegen Corona gebeten. Daraufhin stellten 400.000 Freiwillige
ihre Rechnerkapazität zur Verfügung. Damit schafft das Netzwerk eine Trillion Rechenoperationen pro Sekunde.
Das entspricht einer Rechenleistung von einem Exaflop – so viel wie 60 Prozent der Rechenleistung aller 500 Supercomputer der Welt zusammen.
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https://www.curevac.com/de/news/curevac-focuses-on-the-development-of-mrna-based-coronavirus-vaccine-to-protect-people-worldwide
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/biontech-deutsche-biotechfirma-meldet-rapide-fortschritte-bei-corona-impfstoff/25647126.html?ticket=ST-209792-sgdHlMWvMLh6wWzo6jkT-ap2
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_magazin/Luebecker-Forscher-entwickeln-Wirkstoff-gegen-Corona,shmag71008.html
https://benevolent.ai/
https://foldingathome.org/