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Mobilfunk vs. WLAN: Wer macht das Rennen?

Beim autonomen Fahren warnen sich Autos gegenseitig vor plötzlichen Hindernissen oder fahren eng hintereinander in einer Kolonne. Dafür tauschen sie Daten per Funk direkt miteinander aus. Doch welche Technik ist dafür die beste?

Schon heute bremsen moderne Pkw mit Fahrerassistenzsystemen wie etwa einem Abstandsregler automatisch ab, wenn ein vorausfahrender Lkw langsamer wird. Was aber, wenn der Lkw wegen eines Hindernisses plötzlich eine Vollbremsung macht? Im schlimmsten Fall hat der Pkw – trotz Unterstützung durch einen Notbremsassistenten – nicht mehr genug Zeit, zu stoppen. Das soll sich in Zukunft ändern: Die Technologie Vehicle-to-Vehicle-Kommunikation (V2V) ermöglicht Autos, per Funk direkt miteinander zu kommunizieren. Ein solches Connected Car kann nachfolgende Autos zum Beispiel vor einem Schuh auf der Straße oder vor einem Stauende warnen.

Ist die Bandbreite der Funkverbindung hoch genug, können Autos sogar die gesamte Datenbasis ihrer Sensoren untereinander austauschen. Das Ergebnis: Der Pkw aus dem Beispiel könnte dank der Sensordaten des Lkw durch das vorausfahrende Fahrzeug „hindurchsehen“ – und das Hindernis noch vor der Vollbremsung erkennen. Das Connected Car spricht jedoch nicht nur mit anderen Fahrzeugen, sondern auch mit Ampeln, Schranken und anderen Verkehrsteilnehmern (Vehicle-to-Everything, V2X).

C-V2X versus WLANp

Die V2X-Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für autonomes Fahren, darüber sind sich alle einig. Nicht einig sind sich Politik, Forschung und Wirtschaft jedoch über die Funktechnologie. Das Problem: Damit Autos wirklich autonom fahren, müssen sie untereinander dieselbe Sprache sprechen. Die Europäische Union (EU) diskutiert gerade intensiv über zwei Technologien: den Mobilfunk-Standard Cellular V2X (C-V2X) – auf der Basis von LTE oder 5G – sowie das WLAN-Protokoll IEEE 802.11p (WLANp).

Hinzu kommt eine weitere Technologie: das Mobile Edge Computing. „Da die Übertragungsgeschwindigkeit davon abhängt, wie weit das Rechenzentrum vom Ort des Geschehens entfernt ist, werden die Daten der Verkehrsteilnehmer in sogenannten Cloudlets, also Cloud-Rechenzentren, in unmittelbarer Nähe der Straße verarbeitet“, sagt Dillinger. So lässt sich eine möglichst niedrige Latenz, also Verzögerungszeit, erreichen. C-V2X ist damit eine Technologie für sämtliche Anwendungsfälle im Straßenverkehr.

Schon bald lernen Autos sprechen

  • 20% der Autos in Deutschland sind 2019 gemäß Zahlen von Statista und Kraftfahrtbundesamt mit dem Internet vernetzt.
  • 54% der Fahrzeuge in Europa könnten 2030 nach Schätzungen der 5GAA über V2X-Technologie verfügen.
  • 47% wird laut der US-Verkehrsbehörde NHTSA 2030 die Wahrscheinlichkeit betragen, dass zwei Fahrzeuge, die sich auf US-amerikanischen Straßen begegnen, miteinander kommunizieren können.

WLANp gibt es bereits seit 2010. Die Befürworter dieser Technologie argumentieren, dass die automobile Vernetzung per WLANp inzwischen zur Genüge erprobt ist und entsprechende Systeme zur Verfügung stehen. Aber: Trotz der Verfügbarkeit von 802.11p hat die V2X-Kommunikation bis heute nicht den Sprung in die Serienproduktion geschafft. Zudem sind ohnehin immer mehr Fahrzeuge mit einer Mobilfunkeinheit ausgestattet, um auf das Internet zuzugreifen. Anstatt ein zweites teures Telematikmodul für WLANp zu installieren, könnten Automobilhersteller bei C-V2X das vorhandene Gerät verwenden.

Höhere Netzqualität mit Mobilfunk

Doch welche Technologie hat eigentlich bei der Funkleistung die Nase vorn? Um das herauszufinden, hat die 5G Automotive Association (5GAA) Mobilfunk und WLANp im Labor und auf der Straße getestet. Dabei zeigte sich: Die hohen Anforderungen sicherheitskritischer V2V-Anwendungen an die Übertragungsdauer (Latenz) erfüllen beide Funktypen. C-V2X hat jedoch eine bis zu dreimal höhere Reichweite als 802.11p, ist zudem zuverlässiger und weniger anfällig für Interferenzen. Hinzu kommt: Für die Tests nutzte die 5GAA den Mobilfunkstandard LTE, den die Standardisierungsorganisation 3GPP stetig weiterentwickelt. Davon profitiert auch C-V2X. So soll der LTE-Nachfolger 5G laut Spezifikation Latenzen von wenigen Millisekunden mit sich bringen.

Die Diskussion um die richtige V2X-Technologie stellt ein wichtiges Thema in der Industrie dar: Viele Unternehmen aus der Automobilbranche sprechen sich inzwischen für C-V2X aus, darunter Ford, BMW und die PSA-Gruppe. Volkswagen hingegen hatte vor, 2019 die ersten Fahrzeuge mit WLANp-Systemen einzuführen. Einer der wichtigsten Märkte für den Automobilkonzern ist jedoch China. Und die chinesische Regierung will durchsetzen, dass bis 2025 alle Neuwagen im Reich der Mitte mit C-V2X ausgestattet sind.

V2X-Entscheidung der EU offen

Eine ganz andere Richtung wollte die EU einschlagen: Die Europäische Kommission und das EU-Parlament hatten im Frühjahr 2019 ein Regelwerk für Cooperative Intelligent Transport Systems (C-ITS) vorangetrieben, das den WLAN-Standard als V2X-Lösung favorisiert. Im Juli 2019 jedoch stoppten die Regierungschefs der EU-Länder den Entwurf. Zu groß war die Furcht, sich mit der Festlegung auf WLANp Chancen durch C-V2X zu verbauen. Nun muss die EU-Kommission einen neuen Vorschlag erarbeiten. Das Ringen um eine einheitliche V2X-Technologie ist also noch nicht beendet.

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