Smart Mobility

Robotaxis: Science Fiction für die Straße

Sie fahren elektrisch und automatisch: Robo-Autos könnten bald unseren mobilen Alltag prägen. An welchen Konzepten die Unternehmen arbeiten – von General Motors bis Google.

Shawn Metz ist mit dem Rad unterwegs – doch plötzlich geht es nicht mehr weiter: Ein Plattfuß bremst ihn aus, irgendwo in der Nähe von Phoenix, Arizona. Metz greift zum Smartphone und ruft über eine App einen Wagen, der ihn und sein Fahrrad sicher nach Hause bringen soll. Kurze Zeit später ist das Auto vor Ort – nicht nur elektrisch betrieben, sondern ganz ohne Fahrer: ein Robo-Taxi. Nichts besonderes für Metz, der diesen Wagen auch für Fahrten zum Supermarkt oder ins Restaurant nutzt, sechs- bis achtmal die Woche: Metz ist einer von ein paar hundert Testern des Robotaxidienstes Waymo One.

Fernkontrolle per Joystick

Waymo, Tochterunternehmen des Google-Mutterkonzerns Alphabet, hat bei der Forschung an autonomen Fahrzeugen schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt. Eine Flotte aus etwa 600 Waymo-One-Robotaxis ist rund um die Uhr unterwegs. Zumindest für ein Team von Testern, die mit diesen Wagen innerhalb eines exakt definierten Gebiets in der Phoenix East Valley Area unterwegs sein können. Ein Service-Team aus sogenannten Teleoperatoren in der Waymo-Zentrale hält via Kamera stets ein Auge auf jedes Fahrzeug – um bei Problemen per Joystick aus der Ferne eingreifen zu können. Zehn Jahre forscht Waymo bereits an diesem Projekt. Und Experten gehen davon aus, dass es weitere zehn Jahre dauern wird, bis die Robotertaxis weitestgehend unabhängig fahren können - auch außerhalb exakt abgesteckter Areale, die sie zuvor mit menschlichen Fahrern ausgiebig erkundet haben. Immerhin: Jetzt wagt sich Waymo testweise auch ins Verkehrschaos von Los Angeles.

A ride in Waymo’s fully driverless car

Skeptische Deutsche, euphorische Chinesen

Ein lohnenswerter Feldversuch, denn das Interesse an dieser neuen Form der Mobilität ist offenbar geweckt, wie die Continental-Mobilitätsstudie 2018 zeigt: Knapp jeder zweite befragte Amerikaner kann sich demnach schon vorstellen, „definitiv“ oder zumindest „vielleicht“ in ein solches autonom fahrendes Taxi einzusteigen. In China sind es sogar vier von fünf Menschen, in Deutschland immerhin schon jeder Dritte – auch wenn mit 45 Prozent die Quote der Skeptiker („definitiv nicht“) hier noch hoch ist. Aber das künftige Potenzial für Robo-Taxis scheint auch zwischen Flensburg und Passau beachtlich: Schließlich waren nach Angaben des Bundesverbands Taxi und Mietwagen in Deutschland 2018 etwa 440 Millionen Personen in Deutschland mit Taxi oder Mietwagen unterwegs.

Raum für neue Design-Ideen

In der Geschichte des Automobils spielt bislang der Fahrer eine zentrale, weil unverzichtbare Rolle. Seit 100 Jahren hat sich daran nichts geändert. Also ist auch der Aufbau des Fahrzeugs auf ihn ausgerichtet: Lenkrad, Pedale für Gas, Bremse und Kupplung, Schaltknüppel, Instrumententafel und diverse Bedienelemente, Innen- und Außenspiegel. Die Sitze aller Insassen sind meist in Fahrtrichtung ausgerichtet. Ein Drittel des Autos ist für seinen Verbrennungsmotor reserviert. Nicht so beim Origin.

Der Blick auf den Origin, Ende Januar 2020 vorgestellt, zeigt, wie die Zukunft der Mobilität aussehen kann, wenn Hersteller das autonome Auto von Grund auf neu denken: Während Waymo seine Technologie in ein Serienauto eingebaut hat – einen Chrysler Pacifica Minivan –, ähnelt der Origin, eine gemeinsame Entwicklung von General-Motors-Tochter Cruise und Honda, eher einem Schuhkarton auf Rädern als einem klassischen Automobil. Aber windschnittig muss er auch nicht sein, denn für ein Robotaxi im Stadtverkehr spielt der Luftwiderstand – im Gegensatz zu regelmäßiger Nutzung auf der Autobahn – keine nennenswerte Rolle. Dafür bietet die US-japanische Koproduktion Raum für jede Menge Design-Phantasie.

Der Innenraum ist deutlich geräumiger als gewohnt, obwohl der Origin insgesamt nicht länger oder breiter ist als ein SUV. Die Sitze bieten vier Passagieren Platz, die sich gegenübersitzen – einem entspannten Gespräch während der Fahrt steht also nichts im Wege. Die Türen öffnen sich zur Seite statt nach außen, was Fahrradfahrer freuen wird. Der Einstieg ist deutlich niedriger und dreimal so breit wie bei einem herkömmlichen Viertürer. Eine Erleichterung für Menschen, die normalerweise Probleme beim Einsteigen haben. Elektro-Antrieb und -Akku sind flächig im Boden eingebaut. Weder vorne noch hinten muss also Platz für einen Motor reserviert werden. Überhaupt gibt es beim Origin kein vorne und hinten; das Vehikel sieht von beiden Seiten gleich aus und fährt auch in beide Richtungen gleich schnell.

Eine Million Meilen Laufleistung

Ein Robotaxi unterscheidet sich aber nicht nur in Design und Komfort von einem privat genutzten Pkw. Es muss auch deutlich länger halten. Bei einer jährlichen Laufleistung eines Taxis von etwa 70.000 Kilometern (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein; PDF) ist das Fahrzeug nach etwa fünf Jahren reif für die Rente. Cruise verspricht für seinen Origin „eine Lebensdauer von über 1 Million Meilen“. Dazu soll auch die modulare Bauweise beitragen: Sensoren und andere Komponenten lassen sich einfach updaten oder austauschen; so bleibt der Origin technisch immer auf dem neuesten Stand.

Gemeinsame Arbeit am Auto der Zukunft

Der Origin ist auch ein Beispiel dafür, dass die Autohersteller die Zeichen der Zeit erkannt haben: Durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen – selbst mit Konkurrenten – ergeben sich Synergien. Herz des neuen Robotaxis ist eine Elektro-Plattform von General Motors; Honda steuert sein Entwicklungs-Know-how sowie einige Milliarden Dollar bei. Das macht Schule: Wenn es ums autonome Fahren geht, setzen auch die deutschen Autobauer auf Partnerschaften.

„Wir bereiten uns darauf vor, ab 2021 eine große Zahl an Robotaxis bereitzustellen.“ – Michael Hafner, Leiter Automatisiertes Fahren bei Mercedes-Benz, in der „Automobilwoche


Volkswagen hat sich mit Ford zusammengetan und investiert eine Milliarde Dollar in das US-Start-up Argo AI. Als zusätzliche Mitgift bringt VW seine Münchner Tochterfirma Autonomous Intelligent Driving (AID) in das Projekt ein. Beide Konzerne, die nun zu gleichen Teilen Haupteigner von Argo AI sind, wollen die Technologieplattform des Start-ups unabhängig voneinander in ihren künftigen selbstfahrenden Autos verbauen.

Was planen die deutschen Autobauer?

Die VW-Tochter Audi entwickelt gemeinsam mit Huawei ein Mobile Data Center, eine integrierte Software- und Hardwarelösung aus KI-Chips, Plattform und Betriebssystem für autonomes Fahren. Daimler hat sich mit Bosch verbündet, und wie Waymo arbeitet auch BMW bei selbstfahrenden Autos mit Fiat-Chrysler zusammen. Die Münchner wollen bis 2021 eine gemeinsame Technologieplattform mit den Italienern aufbauen und im gleichen Jahr auch eine Robotaxi-Flotte losschicken. Wenn auch zunächst noch mit einem Sicherheitsfahrer an Bord.

„Wir starten 2021 unsere Robotaxis.“ – Alejandro Vukotich, Bereichsleiter Autonomes Fahren bei BMW, in der Gründerszene



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