Per Autopilot in den Urlaub oder zum Geschäftstermin, mit dem autonomen
Taxi morgens zur Arbeit: Das könnte schon in wenigen Jahren selbstverständlich
sein. Denn Hersteller, Zulieferer, Telekommunikations- und Technologiekonzerne
drücken bei der Weiterentwicklung selbstfahrender Autos mächtig aufs Tempo.
Das Auto sei der Deutschen liebstes Kind, heißt es. Die emotionale Beziehung
vieler Menschen zum eigenen Pkw ist fast schon legendär. Doch das könnte bald
Geschichte sein. Experten zufolge wird sich bis zum Jahr 2035 die persönliche
Mobilität radikal verändern. Zahlreiche Autos auf deutschen Straßen werden dann vollautonom
fahren und nicht mehr Privatpersonen, sondern Mobilitätsdienstleistern gehören. Das prognostiziert
beispielsweise die Unternehmensberatung Deloitte in der Studie „Datenland Deutschland“. Demnach werden
solche Mobilitätsdienstleister dann eine große Flotte von selbstfahrenden Autos betreiben und Fahrten
von Tür zu Tür anbieten – zu attraktiven Preisen. Weil die Auslastung beim Robotaxi höher und die
Nutzung effizienter ist, sind Fahrten mit den Elektroautos der Studie zufolge 25 Prozent günstiger
als mit dem eigenen Fahrzeug. Nutzer autonomer Shuttles würden sogar nur die Hälfte des Preises bezahlen,
den sie heute für ein Ticket im öffentlichen Nahverkehr berappen müssen.
„Wenn sich der Markt frei ohne Regulierung entwickeln würde, wäre das
Potenzial enorm. Die Nutzungsbereitschaft und die Nachfrage sind hoch“, sagt
Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch. Demnach gehen die Autoren dieser Studie davon aus,
dass in 15 Jahren etwa 740.000 autonome Fahrzeuge im städtischen Verkehr unterwegs sein werden – das
Zwölffache der heutigen Taxiflotte. Jeder dritte Weg würde demzufolge mit autonomen Fahrdiensten zurückgelegt
werden. Nach den Berechnungen von Deloitte kämen Betreiber solcher autonomer Fahrdienstflotten allein in Deutschland
dann auf ein jährliches Volumen von knapp 17 Milliarden Euro – immerhin schon ein Sechstel des Umsatzes, den Fahrzeughersteller
heute mit dem Verkauf von Neuwagen in Deutschland erwirtschaften. Weltweit dürfte das Geschäft mit Mobility-as-a-Service-Angeboten
(MaaS) 2030 sogar weit über eine Billion US-Dollar einbringen.
Hart umkämpfter Wettbewerb
Klar: Von diesem Kuchen will in Zukunft jeder ein Stück abhaben. Das Rennen um die besten Plätze
ist längst eröffnet. Neben Tesla oder Google erforschen und testen auch deutsche Autobauer auf
Hochtouren autonome Fahrsysteme. Die Festlegung, in welchem Umfang das Auto die Aufgaben des Fahrers übernimmt, erfolgt
in fünf unterschiedlichen Entwicklungsschritten – vom assistierten Fahren (Level 1) bis zum voll ausgereiften
autonomen Fahren (Level 5) (siehe Kasten: Die fünf Level des autonomen Fahrens).
Die fünf Level des autonomen Fahrens
Level 1: Assistiertes Fahren
Das assistierte Fahren ist in vielen Autos bereits Realität – etwa durch Tempomat oder die automatische Abstandskontrolle.
Level 2: Teilautomatisiertes Fahren
Beim teilautomatisierten Fahren kann der Pkw – ganz ohne Eingreifen des Menschen – manche Aufgaben zeitweilig selbst ausführen, zum Beispiel die Spurführung oder teilautomatisches Einparken. Etliche Modelle verfügen bereits über entsprechende Funktionen.
Level 3: Hochautomatisiertes Fahren
Hochautomatisierte Autos können bestimmte Fahraufgaben selbstständig und ohne menschliches Zutun bewältigen, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum und unter geeigneten, vom Hersteller vorgegebenen Bedingungen. Sie überholen, bremsen, beschleunigen – je nachdem, wie es die Verkehrssituation erfordert. Es gibt bereits erste Modelle mit dieser Funktion.
Level 4: Vollautomatisiertes Fahren
Beim vollautomatisierten Fahren kann der Fahrer noch eingreifen, wenn das System ausfällt, doch im Regelfall soll das Auto alles übernehmen. Dieses Level wird von verschiedenen Autoherstellern und Zulieferern sowie Tech-Konzernen derzeit in der Praxis getestet.
Level 5: Autonomes Fahren
Beim eigentlichen autonomen Fahren ist kein Fahrer mehr erforderlich. Man braucht auch kein Lenkrad mehr oder sonstige Bedienelemente. Die Insassen werden zu reinen Passagieren.
Volkswagen hat mit Sedric – kurz für Self-Driving Car – bereits 2017 ein
Robotaxi-Modell für Level 5 vorgestellt. Mit aktuellen Autos hat das Elektrofahrzeug
nur noch wenig gemeinsam: Sedric hat weder Motorhaube noch Lenkrad, Pedale oder Cockpit.
Der VW-Prototyp wirkt wie eine Mischung aus Linienbus und Limousine mit Platz für bis zu
sechs Passagiere. Die sitzen sich in einem ausladenden Innenraum gegenüber, den sie über
große Türen bequem betreten können. Der Akku ist im Wagenboden verbaut und hat eine
Reichweite von 400 Kilometern. Die kann das komplett autonom fahrende Auto allerdings
zurzeit nur auf einem VW-Testgelände in Wolfsburg zurücklegen. Bis man das intelligente
Elektroauto tatsächlich per Smartphone direkt an die Haustür bestellen kann, werden laut
Hersteller noch einige Jahre vergehen. Hersteller Daimler wiederum will in Kooperation
mit Zulieferer Bosch bereits ab 2021 vollautomatisiertes (Level 4) und fahrerloses Fahren
(Level 5) in Städten möglich machen.
Testflotten stehen in den Startlöchern
BMW hat ebenfalls für 2021 einen groß angelegten Test von Robotertaxis angekündigt.
Die Münchner wollen mit einer Flotte von Fahrzeugen in umfangreichen Versuchen
Level-4-Funktionen erproben. Dafür betreibt der Autobauer mittlerweile ein eigenes
Datencenter für autonomes Fahren sowie eine spezielle IT-Plattform. Sie schafft die
Grundlage, um die Daten, die autonom fahrende Autos im Betrieb produzieren, zu verarbeiten,
anzureichern und wieder auszuspielen. Tag für Tag kommen so mehr als 1.500 Terabyte neue
Rohdaten zusammen.
„Wenn sich der Markt frei ohne Regulierung entwickeln würde, wäre das
Potenzial enorm. Die Nutzungsbereitschaft und die Nachfrage sind hoch.“
- Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch
Audi wiederum setzt bei der Entwicklung autonomer Autos auf die Expertise des
chinesischen Technologiekonzerns Huawei. Die beiden Unternehmen haben ein Mobile
Data Center (MDC) entwickelt: eine integrierte Software- und Hardwarelösung aus Chips,
einer Plattform, einem Betriebssystem und einem Software-Entwicklungsframework. Sie soll
den Weg zu autonomem Fahren auf Level 4 ebnen und wurde bereits in einem Audi Q7 als
Prototyp verbaut. Um der Technologie noch mehr Schubkraft zu verleihen, hat Huawei in
München sogar ein eigenes Forschungszentrum gegründet. Hier entwickelt der Konzern – basierend
auf eigenen KI-Chips – Bordrechner für Level-4-Fahrzeuge. Diese bieten hohe Performance bei
gleichzeitig geringerem Stromverbrauch. „Optimal für Elektrofahrzeuge, denn die Energie, die
nicht für das Datenprocessing gebraucht wird, kommt der Reichweite zugute", erklärte Michael Lemke,
Senior Technology Principal bei Huawei Deutschland, gegenüber der Zeitschrift „Automobilwoche“. Eine wichtige
Weichenstellung, um intelligente Mobilitätsangebote in Zukunft nicht nur im städtischen Verkehr,
sondern auch im ländlichen Raum möglich zu machen.