Ein trauriger Rekord: Bis zu 10.000 Quadratkilometer Regenwald wurden wohl allein in Brasilien bis Ende 2019 neu zerstört. Diese Fläche ist fast viermal so groß wie das Saarland. Weltweit kämpfen NGOs gegen die meist illegalen Rodungen an. Zum Beispiel die US-amerikanische Rainforest Connection.
Im Sommer 2019 zerstörten verheerende Brände riesige Flächen im Regenwald des Amazonasgebiets.
Dramatische Bilder führten der ganzen Welt vor Augen, wie angreifbar das Ökosystem Regenwald ist.
Die Brände vernichten nicht nur wertvollen Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Flächenbrände
wie in Brasilien oder in der sibirischen Taiga sind ein enormer Katalysator für den Klimawandel. Sie entladen
riesige CO2-Speicher und tragen mit rund 15 Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen massiv zum Anstieg von
Treibhausgasen in der Atmosphäre bei.
Tropenholz aus illegalen Quellen
Ein zweites Übel verstärkt die scheinbar unaufhaltsame Zerstörung der weltweiten Regenwälder:
illegale Abholzung. Der WWF schätzt, dass drei Viertel des indonesischen Tropenholzes aus illegalen
Quellen stammen, aus Brasilien sogar rund 80 Prozent. Der Anteil des illegalen Holzeinschlags an der globalen
Holzproduktion liegt zwischen 20 bis 40 Prozent. Neben der Katastrophe für die Ökosysteme in den oftmals unberührten
Wäldern ist auch der wirtschaftliche Schaden hoch. Staat, Industrie und Waldbesitzern entgehen pro Jahr Einnahmen von
geschätzten 15 Milliarden US-Dollar.
Aber welche Möglichkeiten gibt es, derart riesige Waldflächen vor Brandrodung und illegaler Abholzung zu schützen? Die Brandroder
und Abholzer ignorieren Schutzgebiete und lassen sich – sofern sie überhaupt erwischt werden – von den viel zu
geringen Strafen nicht abschrecken. Und wenn Satelliten Orte illegaler Rodungen entdecken, treffen die Ranger häufig nicht mehr rechtzeitig vor Ort ein, weil die bestens ausgestatteten Brandroder und Abholzer längst weitergezogen sind. Auch
am Boden ist es schwer, größere illegale Abholzungsteams rechtzeitig ausfindig zu machen, obwohl sie mit schwerem und auch
lautem Gerät einen Höllenlärm verursachen. Doch durch die ebenfalls laute, natürliche Geräuschkulisse des Regenwalds
sind selbst wenige 100 Meter entfernte Kettensägen nicht zu hören.
Verteidigungssysteme gegen Abholzung
Die Non-Profit-Organisation Rainforest Connection (RFCx) will das ändern und verleiht dem Regenwald seit einigen Jahren
elektronische Ohren. Sie baut mit ausgedienten Smartphones, Solarenergie und Künstlicher Intelligenz (KI) Echtzeit-Verteidigungssysteme
gegen illegale Abholzung auf. Gründer von RCFx ist Topher White, dem die Idee für das Regenwaldabhörsystem beim Besuch einer Rangerstation
in einem Schutzgebiet für Gibbons im brasilianischen Amazonas-Regenwald kam. Als er und seine Freunde nach nur fünf Minuten Fußmarsch von
der Rangerstation auf Abholzer trafen, war White schockiert. Wie konnte es sein, dass sie mit ihren Kettensägen nur wenige hundert Meter
von der Station entfernt mitten im Schutzgebiet unbemerkt Bäume fällen konnten – obwohl die Rangerstation Wachen gegen die Abholzung postiert hatte?
Rainforest Connection
Der Physiker und Softwareingenieur Topher White gründete 2014 die Non-Profit-Organisation Rainforest Connection (RFCx).
RFCx entwickelt und implementiert kostenlos akustische Überwachungssysteme, um Regenwälder vor illegaler Abholzung zu
schützen, Tierwilderei zu stoppen und bioakustische Überwachungen zu ermöglichen. Topher White ist davon überzeugt, dass
Echtzeitdaten über den Zustand tropischer Regenwälder deren Zerstörung verhindern können. Bis 2019 hat RFCx Projekte in zehn
Ländern auf fünf Kontinenten aufgesetzt: in Kalifornien/USA, Costa Rica, Ecuador, Peru, Bolivien, Brasilien, Rumänien, Kamerun, Südafrika und Sumatra.
Die Erklärung: Lärmverschmutzung. Durch das dichte Gestrüpp des Regenwaldes und den Höllenlärm,
den lautstarke Tiere verursachen, sind unnatürliche Geräusche für das menschliche Ohr nicht herauszufiltern.
Topher White erkannte, dass Maschinen besser und konzentrierter hören als ein Wachmann gegen Ende seiner Schicht.
Zudem wusste White, dass schon ein normales Handy Audiofrequenzen in ausreichender Qualität aufnehmen kann.
Alte Handys bilden Abhörnetz
RFCx entwickelte ein Abhörnetz aus alten Handys und Smartphones. Sie nehmen im Wald Geräusche auf,
die auf illegale Abholzung hinweisen. Alle Daten fließen in ein Audioerkennungssystem, das auf Basis
von KI die enormen Datenmengen analysiert und diejenigen Geräusche herausfiltert, die für den Regenwald unnatürlich sind,
also Kettensägen oder Lastwagen. Die erste Herausforderung bestand darin, herauszufinden, wie sich Schalldaten in
einer Umgebung mit hoher Temperatur, hoher Luftfeuchtigkeit und ohne feste Stromversorgung sammeln und wie sich die riesigen
Datenmengen übertragen, speichern und verwalten lassen. Zweitens muss das System diese Daten in Echtzeit analysieren
und den Ort, an dem sie aufgenommen wurden, genau bestimmen. Hierfür bedarf es eines hochpräzisen Erkennungsalgorithmus.
Regenwälder
absorbieren rund 30% der von Menschen verursachten Treibhausgase
im Amazonas-Gebiet erzeugen etwa 20% des weltweiten Sauerstoffs
speichern 90 bis 140 Milliarden Tonnen Kohlenstoff am Amazonas und sind damit der größte CO2-Speicher der Welt
in der Amazonas-Region beheimaten 10% aller bekannten Tierarten und 40.000 Pflanzenarten
Inzwischen setzt RFCx die alten Mobiltelefone zum Schutz der Wälder weltweit in mehreren Projekten ein.
Sie werden in ein blumenförmiges Solarmodul eingesetzt und können so ihren meist zweijährigen Betrieb ohne Anbindung
an Stromnetze aufnehmen. Die Geräte sind auch gegen Witterungseinflüsse geschützt und nahezu wartungsfrei. Einmal in
einem Baum installiert, funktionieren sie mehrere Jahre ohne weiteren Eingriff.
Um einen Netzempfang zu bekommen, platzieren die Waldschützer die Module in den Baumwipfeln, was deren Reichweite erhöht.
Audiodatenanalyse in der Cloud
Herzstücke der solarbetriebenen Audioüberwachungssysteme sind alte Huawei-Handys, die über hochempfindliche Mikrofone verfügen.
Sie erfassen die Umgebungsgeräusche im Umkreis von rund einem Kilometer und senden die erfassten Audiodaten zur Analyse in
die Cloud. Wenn Lärm von Motorsägen oder Lastwagen zu hören ist, werden Ranger per SMS in Echtzeit benachrichtigt und zur weiteren
Untersuchung an den Standort geschickt. Huawei und RFCx entwickeln gemeinsam den Algorithmus weiter, der auf der Huawei CLOUD AI
und Tools basiert, um eine genauere Identifizierung von Motorsäge- und LKW-Geräuschen zu erreichen. Darüber hinaus unterstützt
Huawei RFCx beim Aufbau intelligenter Modelle, die die Geräusche von Spinnenaffen erkennen und analysieren, indem sie Informationen
über ihren Lebensraum und ihre Lebensgewohnheiten liefern.
„Wir nutzen alte Technologie, die niemanden interessiert, um auf der ganzen Welt hochmodernste Forschung und Umweltschutz zu betreiben.“
– Topher White, Gründer und CEO von Rainforest Connection (RFCx)
Inzwischen bindet das legale Abhörsystem die Tierwelt selbst in das Warnsystem ein. Wenn Maschinen in ihre Ökosysteme eindringen,
verändern sich die Tierlaute. So kann die Datenanalyse auch helfen, gefährdete Tierarten aufzuspüren, weiter zu erforschen und
besser aktiv zu schützen.