Albert Einstein war seiner Zeit ein ganzes Stück voraus. Auch seine Allgemeine
Relativitätstheorie konnte erst 2015 final bewiesen werden. Dabei hatte das Max-Planck-Institut
für Gravitationsphysik seine Hand im Spiel – und treibt seitdem die Forschung rund um die Gravitation weiter voran.
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Sie zu erforschen steht bei Astrophysikern
weltweit ganz oben auf der Agenda. Der internationalen Wissenschaft geht es
aber nicht nur darum, die Raumfahrt voranzutreiben und neue Planeten zu entdecken.
Sie wollen verstehen, was im All passiert, und wissenschaftliche Theorien verifizieren.
Dabei stoßen sie immer wieder auf faszinierende Vorgänge wie diesen: „Vor etwa 900
Millionen Jahren fraß ein schwarzes Loch einen sehr dichten Neutronenstern – wie Pac-man“,
berichtete
im August 2019 Professorin Susan Scott, die an der Australian National University
zur Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein forscht. Kollegen am US-amerikanischen
Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO), mit denen Scotts Team zusammenarbeitet, hatten da gerade
dieses spektakuläre Ereignis in 900 Millionen Lichtjahren Entfernung beobachtet.
Gravitationswellen, Neutronensterne und schwarze Löcher
Seit Jahrzehnten versuchen internationale Physiker, Einsteins
Theorien zu bestätigen. Die Allgemeine Relativitätstheorie geht
davon aus, dass Gravitation keine Kraft, sondern eine geometrische Eigenschaft
von Raum und Zeit ist. Einstein hatte bereits 1915 vermutet, dass die Bewegung
großer Massen umeinander wie etwa Neutronensterne oder schwarze Löcher im Weltall bzw.
deren gegenseitige Verschmelzung sogenannte
Gravitationswellen erzeugt. Damit schloss er
Lücken im Gravitationsgesetz von Isaak Newton – und revolutionierte die Physik.
Lange fehlten für wesentliche Teile seiner
Gravitationstheorie jedoch konkrete Beweise. Erst hundert Jahre nachdem
Einstein seine Überlegungen veröffentlicht hatte, konnte die Forschung beweisen,
dass seine Theorie aufgeht: 2015 gelang es dem LIGO erstmals, Gravitationswellen
im Weltall zu messen. Eine Sensation!
Mit dem letzten noch fehlenden Steinchen vervollständigt die Forschung aber nicht nur den
wissenschaftlichen Nachweis, dass Einstein mit seiner Relativitätstheorie Recht hatte. Die
Entdeckung der Gravitationswellen hilft auch, das Universum und seinen Ursprung zu verstehen.
Kein Wunder, dass die Wissenschaftler für ihre Entdeckung wenig später den Physiknobelpreis erhielten.
Datenanalysen in Lichtgeschwindigkeit
Darüber freute man sich auch am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in
Hannover. Zwar hatte das LIGO die Gravitationswellen gemessen, tatsächlich entdeckt wurden sie aber im AEI.
Denn hier steht Atlas, der weltweit größte Computercluster zur Datenanalyse von Gravitationswellen. Er scannte
2015 die Messwerte des LIGO nach Auffälligkeiten und stieß dabei auf das Gravitationssignal. Dementsprechend
realisierten Mitarbeiter des Instituts als Erste, was die Detektoren in den USA angezeigt hatten.
Highspeed-Rechenkünstler
Wenn es darum geht, Gravitationswellen zu identifizieren und zu analysieren, ist Atlas das
Mittel der Wahl. Der Supercomputer besteht aus 3.300 Einzelrechnern und stellt rund 50 Prozent
der weltweiten Rechenleistung für die Gravitationsforschung bereit. Seine theoretische Spitzenrechenleistung
beträgt mehr als ein PetaFLOPS – also über eine Billiarde Berechnungen pro Sekunde. Zum Vergleich: Ein
klassischer PC schafft im gleichen Zeitraum rund eine Million Berechnungen.
„Die Arbeit unserer Wissenschaftler ist sehr detailliert und basiert auf komplexen
Spezialalgorithmen, für deren Ausführung eine extrem hohe Rechenleistung erforderlich ist“,
sagt Dr. Henning Fehrmann, Cluster-Administrator der AEI-Abteilung Observational Relativity
and Cosmology (ORC). Sein Team kümmert sich unter anderem darum, dass Atlas den steigenden
Anforderungen der Gravitationsforschung jederzeit gerecht wird. Dazu gehört auch, erforderliche
Erweiterungen nachfrage- und zeitgerecht durchzuführen.
Ausbau eines Supercomputers
Fehrmann erinnert sich noch gut an den letzten Ausbau des Supercomputers Anfang 2018.
Um die zweite Phase eines wichtigen Projekts erfolgreich abschließen zu können, sollte das
ORC-Team die Atlas-Kapazität erhöhen. „Hierfür benötigten wir eine geeignete Lösung“, erklärt Fehrmann.
Diese musste nicht nur die technischen Erwartungen erfüllen, sondern auch preislich überzeugen. Denn wie
jede öffentlich finanzierte Einrichtung sind die finanziellen Mittel des Albert-Einstein-Instituts knapp bemessen.
Nach einer öffentlichen Ausschreibung
entschied sich das ORC für den
Huawei FusionServer RH1288. Der Rechner wurde
explizit zur Unterstützung datenintensiver HPC-Anwendungen (High Performance Computing) entwickelt und punktet mit
hoher Speicherkapazität, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit bei gleichzeitig geringem Stromverbrauch.
Neuer Schub für Forschungsaktivitäten
Das Endergebnis kann sich sehen lassen: Durch die Clustererweiterung wurde die Gesamtrechenleistung
von Atlas verdoppelt; selbst schwächste Signale lassen sich so noch schneller und gründlicher analysieren.
Auch deshalb hat die Gravitationsforschung am AEI massive Fortschritte gemacht. So konnten die Wissenschaftler
inzwischen elf Gravitationswellen nachweisen. Der Großteil davon entstand wie die erste durch die Kollision
schwarzer Löcher. 2017 registrierten die Forscher eine Gravitationswelle, die durch die Kollision zweier
Neutronensterne entstanden war. Und nun, im August 2019, beobachtete das LIGO-Forschungsteam, wie sich ein
schwarzes Loch einen Neutronenstern einverleibt. Die endgültige Bestätigung dafür steht zwar noch aus, doch die
Wahrscheinlichkeit, dass die Beobachtung zutrifft, liegt Experten zufolge bei 99,8 Prozent. Und dann
hätten die Gravitationsforscher einen weiteren wichtigen Beweis für Einsteins Theorien erbracht.