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Interview

Fraunhofer-Institutsleiter Hauswirth 2017: „Der Netzausbau kann nicht überall gleichzeitig erfolgen.”

Im Gespräch mit Prof. Dr. Manfred Hauswirth 2017, Leiter am Fraunhofer-Institut FOKUS und Inhaber des Lehrstuhls für Open Distributed Systems an der Technischen Universität Berlin. (Dieser Artikel wurde erstmals 2017 veröffentlicht.)

In Ihrer Studie „Netzinfrastrukturen für die Gigabitgesellschaft“ beschreiben Sie die Schritte in die Gigabitgesellschaft und die dafür notwendigen Maßnahmen. Welche Erkenntnisse und Empfehlungen lassen sich durch die Studienergebnisse ableiten?

Ein zentraler Punkt ist, dass der flächendeckende Ausbau der Netzzugänge mit höheren Bandbreiten nur ein Bestandteil des Gigabit-Infrastrukturaufbaus ist: Intelligente Netzfunktionen, insbesondere verteilte Daten- und Rechenzentren, werden in Zukunft eine wesentliche Grundlage für die flexible Realisierung neuer Gigabitanwendungen und somit die Basis für Wertschöpfung und Innovation in Deutschland sein. Wir raten deshalb dringend zur erweiterten Betrachtung des Begriffs Gigabit-Infrastrukturen und zu einem frühzeitigen Aufbau und der offenen Bereitstellung dieser intelligenten Netzinfrastrukturen für einen freien Wettbewerb.

Welche Anforderung muss eine Gigabit-Infrastruktur für Gesellschaft und Wirtschaft erfüllen?

Neben einer hohen Bandbreite muss der Unterstützung vieler vernetzter Endgeräte, der Echtzeitfähigkeit in Form einer niedrigen Latenz, einer hohen Verfügbarkeit und Sicherheit der Infrastruktur und der Flexibilisierung der Netze mindestens die gleiche Bedeutung beigemessen werden. Die Entwicklung und der zügige Aufbau von Netzfunktionen zur Steuerung dieser Eigenschaften sollten verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken.

Wie beurteilen Sie die Ist-Situation der deutschen Breitbandinfrastruktur mit dem vergleichsweisen geringen Anteil an Glasfaseranbindungen?

Die Frage stellt sich so eigentlich nicht, denn es zählt nicht die eingesetzte Technologie, sondern die Leistungsfähigkeit der Netze hinsichtlich der spezifischen Anforderungen an den jeweiligen Orten. Wo diese nicht gegeben ist, muss sie natürlich zukünftig bereitgestellt werden. Aber ob dies zwingend Glasfaser sein muss oder ein Technologie-Mix genauso geeignet ist, ist im Einzelfall zu prüfen und zu entscheiden.

Welche Rahmenbedingungen muss die Politik für den Netzausbau schaffen?

Zunächst die konsequente Umsetzung des Vier-Phasen-Plans des BMVI. Im Rahmen der Studie empfehlen wir darüber hinaus den Ausbau von Gigabit-Infrastrukturen auf der Basis von Strukturräumen – Stichwort Bedarfsorientierung – und die frühzeitige praktische Erprobung dieser Infrastrukturen in Form von offenen Experimentierräumen. Denn letztendlich ist davon auszugehen, dass gänzlich neue Anwendungen die Treiber der neuen Gigabit-Infrastrukturen sein werden.

Wie lange dauert der flächendeckende Ausbau der Netzinfrastrukturen, die zum Beispiel automatisiertes Fahren ermöglichen sollen?

Für eine effektive und effiziente Umsetzung ist eine von Politik und Marktteilnehmern abgestimmte Strategie nötig. Und der Netzausbau kann nicht überall gleichzeitig erfolgen, sodass eine intelligente Steuerung und Priorisierung nötig sind. Darüber hinaus bedeutet eine Priorisierung für die oben genannten Anwendungen, dass zum Beispiel automatisiertes, netzunterstütztes autonomes Fahren zuerst auf Autobahnen und in großen Städten ermöglicht werden wird, später dann auf Landstraßen und noch kleineren Straßen sowie in mittleren und kleinen Städten und Gemeinden.

Was ergab die Analyse unterschiedlicher Netztechnologien?

Die verschiedenen Netzzugangstechnologien haben jeweils unterschiedliche Vor-und Nachteile, die beim Anschluss von Endkunden gegeneinander abzuwägen und auf den konkreten Kundenbedarf auszurichten sind. Für die Zukunft wird daher effektiv weiterhin ein Mix aus verschiedenen kabelgebundenen und Funktechnologien zum Einsatz kommen. Was die Vernetzung in der Fläche und die Weitverkehrsanbindungen betrifft, sind dagegen Glasfasertechnologien aufgrund ihrer Reichweite, der Leistungsfähigkeit und ihrer Zukunftssicherheit die geeignete Basis.

Empfehlen Sie einer Gemeinde mit hohem Anteil an Industrie und Gewerbe eine andere Netztechnologie als einer Gemeinde, die hauptsächlich aus Privathaushalten besteht?

Ja, der Ausbau sollte immer bedarfsgerecht erfolgen. Es gibt keine „One fits all”-Lösung.

Wie bringt man in Deutschland die Breitbandförderung und 5G zusammen?

5G ist ein elementarer Teil der Gigabit-Infrastrukturen und vereint neben neuesten Mobilfunktechnologien auch feste Zugangsnetze in einer virtualisierten Netzwelt. Virtualisierung auf mehreren Ebenen wird somit zum bestimmenden Kennzeichen zukünftiger Netzinfrastrukturen und steht für eine enge Verschmelzung von Informations- und Kommunikationstechnik. 5G im Sinne des Mobilfunks sollte daher als Katalysator für den nachhaltigen Aufbau der zukünftigen Gigabit-Infrastrukturen genutzt werden.

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